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Mein Gott!!!  35 Jahre sind das nun schon....also seit 35 Jahren stehe ich regelmäßig auf der Bühne, anfangs natürlich erst mal selten, seit 25 Jahren mit an die 150 Konzerten im Jahr. 

Da will ich mal versuchen, pro Jahr ein Highlight-Konzert zu finden und zu beschreiben, so gut es die Erinnerung zuläßt. Hier die 00er (manchmal gibt es Bezüge auf das beschriebene Geschehen in den 90ern) :

 

 

 

 

 

 

20.5.2000: Forkestra spielt "Zeitloope" im Straba Depot

über dreißig Mitwirkende, also zuviel zur einzelnen Aufführung (ok, die Musiker würd ich noch zusammen kriegen, aber dann wäre es unfair gegen die Tänzer, und das wollen wir ja nicht)

 

Eine Lektion über die Freiheit im freien Improvisieren.

Zu dieser Zeit war ich schon etabliertes Mitglied im Forkestra (des bereits erwähnten improvisierenden Orchesters in Freiburg), aber nicht eingeweiht in die Bewandnisse des Zustandekommens so einer Aktion. 17 Impro-Musiker trafen auf 17 Impro-Tänzer in einem alten Straßenbahndepot / Werkstatt. Auf jeden Fall geht sowas selten ohne die mildtätige Hand eines Kulturfunktionärs ab. Meine Skepsis dieser ganzen Struktur gegenüber wurde hier tüchtig genährt, allerdings hatten wir es auch mit einer extremen Flitzpiepe zu tun, dessen Name hier unererwähnt sein soll.

Aber erst mal war das ja eine wirklich großartige Sache: Das Forkestra hatte mit der Tänzergruppe ein Aufeinandertreffen vereinbart, bei dem jede Partei zwar Sequenzen (oder "Material", wie es der Impro Musiker gerne nennt) vorbereitet, diese aber ungeplant aufeinander treffen. Das alles dann durchsetzt von völlig improvisierten Elementen beiderseits.  

Die Voraussetzungen waren sensationell: Das alte Straßenbahndepot in der Urachstraße ist sicher der geilste Ort, an dem ich gespielt habe (zumindest für sowas); wir hatten mehrere Tage Zeit vor Ort, um uns an den Spielort zu gewöhnen und "Durchläufe" zu machen. Das war eine Spielfläche von gut 500 qm, auf der wir "stationären" Musiker, also Schlagzeuge, Vibraphon und alles, was Strom braucht, uns nach dem ersten Gesetz der Thermodynamik - also gleichmäßig - verteilten. Dazwischen waren dann spärliche Requisiten für bestimmte Tanzsequenzen aufgebaut, wie etwa ein Bettfederrahmen, der für eine bestimmte Szene ein Rolle spielte. Musikerseits aber auch eine monströse Konstruktion von PVC-Röhren, ein typisches Lukas Lindenmaier Machwerk, das an die Blue Man Group erinnert (als sie noch echt waren), bei uns aber mit Original FlipFlops zu bespielen waren. (Eine der besten Verwendungen für FlipFlops, die mir je unter kam!)

Die Proben erinnerten stark an Schulhofpausen, in denen immer bestimmte Gruppen zusammenstehen, aber immerhin kamen wir mit den Tänzern so nahe, daß schließlich für die Aufführung beschlossen wurde, alles sei erlaubt, mit Ausnahme von Handlungen, die gefährlich für Mensch oder Material seien. Ansonsten versuchte wohl jeder erst einmal, mit diesen überwältigenden Räumlichkeiten klar zu kommen, wie zum Beispiel auch den zwei durgehenden Gitterrostlinien, die gelegentlich offen, einen Weg in den Untergrund boten für Requisite, oder Vorbereitung neuer Aktionen.

Beim Konzert selbst konnte ich als ortsgebundener Schlagzeuger natürlich nur einen Teil der gesamten Aktionen verfolgen; doch so viel war klar: ähnlich wie bei uns Musikern war auch bei den Tänzern der Bezug auf frühere Jahrhunderte (so ja die Programmatik) eher bemüht: Sie veranstalteten auf Zuruf eine "Volta", die eher an ein Tanzbodenfest in Umkirch erinnerte, so wie eine Musikerabteilung zu einem anderen Zeitpunkt sich an Pergolesi oder irgendwas barockem versuchte, beides nicht sehr stilecht, aber möglicherweise charmant. Besser dann die moderneren Bezüge: Großartige Momente, wenn wir unsere Sun Ra oder Hendrix Fragmente spielten und die Tänzer improvisierten....trotz allem übertroffen von Lukas (Lindenmaier), der urplötzlich auftauchte und mit einer Kohleschaufel einen Wust von Glöckchen der gesamten Bühnenlänge entlang (also locker dreißig Meter) aufscheppte und weiter vor sich warf. So, wie ich Lukas kannte, hat er da einen inhaltlichen Grund für gehabt; ich kenne den nicht, habe ihn auch nie gefragt, aber es war eines der stärksten visuellen Bilder, das ich je auf einer Bühne gesehen habe.

Glücklicherweise startete Lukas seine Aktion in einem unverfänglichen Moment, denn der Eklat kam dann später: Ein Teil der Tänzer hatte sich in Richtung des erwähnten Bettfederrahmens versammelt, Signal für eine Sequenz, die komprimiert das Leben Frida Kahlos darstellen sollte. -- Ich bitte vor Augen zu halten: All das passiert in einem nicht abreißendem Strom von Bewegung und Sound, all diese Sequenzen sind immer nur eine Teilfraktion in einem Gesamtgetümmel. -- Nichtsdestotrotz, während also die Frida Kahlo Sequenz im Gange ist, taucht aus dem Untergrund (also aus dem Reparaturgraben) der Tubist Lu Hübsch auf, als Nikolaus verkleidet, und macht....eigentlich nichts. Er ist noch nicht mal in der Nähe der Tänzer, aber natürlich ist er schon eye catcher.... es entsteht merkwürdige Energie. Die Tänzer machen die Frida Kahlo Sequenz zu Ende, aber irgendwas ist komisch -- in diesem ganzen Tohuwabohu von Aktion und Sound...

Die Aufführung ist vorbei und in der Umkleide werden schon Stimmen vernehmlich, daß das doch wohl zuviel gewesen sei: Ein Nikolaus, während der heiligen Frida Kalhlo Szene. Lu beteuert, er habe gar nicht wissen können, wann diese Szene hätte stattfinden sollen, und außerdem: hat jemad Schaden genommen?

In der Garderobe ist es nur etwas gespannt, man geht immerhin noch gemeinsam zum Italiener essen. Dort flammt, kaum ist das Essen bestellt, die Diskussion wieder auf, diesmal aber mit dem lokalen Kulturfunktionär (dessen Name hier ja unerwähnt bleiben soll, im Moment ist er es auch nicht mehr); der versucht zu vermitteln. Das allerdings so geschickt, daß sich noch vor Anlieferung der Pizza mehrere Beteiligte Kopf an Kopf gegenüber stehen und anschreien. Darunter Menschen, die ich noch nie jenseits eines 75er Pulsschlags gesehen hatte....ich hatte das in künstlerischem Zusammenhang bis dato überhaupt noch nicht erlebt, daß sich welche anschreien, zumal auf neutralem Boden. 

Einige unbeteiligte Gäste verlassen Giovanni´s bereits, ein guter Teil der Tänzer und Musiker verläßt ebenfalls mit hochrotem Kopf das Lokal, für uns paar Dagebliebene bleibt extrem viel Pizza übrig. Einer der seltenen Momente, wo improvisierte Musik den Magen gefüllt hat, würde ich retrospektiv behaupten.

 

 

 

 

 

 

10.6.2001: Didier Lockwood im Waldsee

Tilman Günter, p; Jan Luc Miotti, b

 

Ja, wieder so´ne namedropping Geschichte -- und das ist es auch, denn ich habe wirklich nur diese eine Mal mit DL gespielt. Vielleicht ist ist es dann aber auch fair, zu berichten, wie sowas zustande kommt: Anläßlich des deutsch französischen Politgipfels in diesem Jahr hob das Kulturamt den Freiburger Jazzgipfel aus der T(r)aufe, ein bis heute bestehendes Festival, damals natürlich mit dem Fokus auf deutsch / französisches. 

Zwar hatte ich mir in den 90ern den Arsch in der Jazz-Szene abgespielt, aber so wirklich war ich nicht einer der Freiburger "Jazzcats" geworden. Ich muß zugeben, daß mich das zu jener Zeit wirklich wurmte. Wenigstens hatte ich diesen steady gig mit Tilman und Jean Luc im Waldsee schon seit Jahren und die beiden waren nun definitv "Jazzcats". Folgerichtig kam diese Geschichte über das Waldsee, in dem natürlich der Kulturamtsleiter in Sachen Spielort für ein Festival sondierte. Wunderbar: Ich hatte einen französischen Bassisten und Tilman hatte irgendwie erwähnt, er kenne Didier Lockwood. Vielleicht hatte er auch nur eine Platte von ihm, so genau hatte ich das gar nicht verstanden...egal, ich dackelte zum Kulturamt und tat kund, ich hätte ein deutsch französisches Jazztrio und würde gerne mit Didier Lockwood spielen, den wir ja auch kennen würden.   .  .  Manchmal geht das einfach so. Der Kulturamtstyp war froh, daß er sich um nix kümmern müßte, und wies mich an, doch alles in die Wege zu leiten....

Der Rest ist gar nicht so spektakulär: Ein paar mails und Didier sagte zu (Geld war ja seitens des Kulturamts vorhanden, soviel sei gesagt allen, die mich bei Gelegenheit wieder über staatliche Kultursubvention klagen hören ;-)  Lockwood ließ mich sogar Stücke vorschlagen, lediglich mein Ersuchen, irgendwas aus der Magma Aera zu spielen, fand keine Gnade.

Dann kam er, wir probten am Nachmittag und spielten einen wirklich entspannten Job. Zu dem Zeitpunkt waren Tilly, Jean Luc und ich auch echt eine Wand. Meine langjährige Freundin Penny hatte ein paar Jahre später mal einen Geigenworkshop bei ihm, und er erinnerte sich sogar ganz gut an das Konzert.... für mich aber ein Wendepunkt (wie so oft, ohne es in dem Moment zu wissen): Ich habe von dem Konzert eine (Doppel!) CD gemacht, natürlich inoffiziell, und ich glaube, das ist das beste, was ich zumindest auf einem Tonträger in Sachen Modern Jazz vorzuweisen habe, ...aber kurz danach begann auch meine Flamme für diese Sportart zu flackern..später zu erlöschen. 

Ich sage bewußt "Sportart", denn die Musik ist ja völlig ok, aber da sind ein paar Geburtsfehler eingewoben. Zeit, sich mehr anderen Dingen zu widmen! 

So freue ich mich um so mehr, meinen Höhepunkt mit einerseits meinem langen Weggefährten Tilly (ein wirklicher Chef der Harmonisierung!), dann aber auch mit Didier Lockwood, diesem so gelassenen und freundlichen Zeitgenossen geteilt zu haben.

Falls Du, lieber Leser, Besitzer einer dieser ca. 40 Bootleg CDs bist, die ich in Umlauf gebracht habe sei Dir gestanden: Ich habe bei dem Stück "Extrasystoles", dem einzigen wirklich vertrackten Stück unseres Abends, beim Editieren deutlich betrogen: Ich habe vier Takte des Anfangsthemas in das Schlußthema eingefügt, weil ich es einfach verkackt habe. Das hat mich damals schwerst gefuchst, so mußte ich es kaschieren.

 

 

 

 

 

 22.7.2002: Mike Keneally im Waldsee

Mike Keneally, git, voc, key; Jaan Wessman, b

 

Puh, Freunde, das ist jetzt kein namedropping mehr, das ist musikalische Religion.

Klar, Schroeder spielt mit dem Zappa Gitarristen der 88er Tour.....das wäre ja schon genug, aber das hat viel mehr angestoßen, als einen Eintrag auf der Visitenkarte.... aber der Reihe nach -- dieses Unterfangen beginnt mit der größten Unverfrohrenheit, die ich mir bis dato geleistet habe:

Claude Kuhnen, der in Freiburg ansässige Chef des deutschen Keneally Fanclubs, möchte gerne ein Konzert mit MK in Freiburg veranstalten. Er geht ins Waldsee, um einmal die Lage zu sondieren, und hinterläßt die aktuelle CD "Dancing". Daraufhin läßt Achim die CD ab und zu nach Konzertende laufen, einfach um mal die Reaktion zu prüfen....und die fällt mager aus. Auch ich zeige mich wenig beeindruckt von der CD, von der ich jetzt jedes Stück aufsauge wie Riegeler Landbier; kein Wunder: Musik ist nicht "für anne Theke". Diese CD muß man mehrmals, und vor allem alleine  hören! Wenige Wochen später kriegt Claude Kuhnen mit, daß MK in Europa ein paar Off Days hat und spielen würde, wenn sich Freiwillige fänden, die seine Musik spielen können. Einen potentiellen Bassisten hat er schon, nämlich das finnische Kind (damals 28 Jahre alt), also Jaan Wessman, den er schon vorher als Zuschauer auf einem Keneally Konzert getroffen hat. Über Achim hat er erfahren, daß hier ein Trommler rumläuft, der sich immerhin schon mal für Zappa interessiert, also laufen wir uns am besagten Ort über den Weg und er fragt mich, ob ich Interesse hätte, mit diesem Typen zu spielen.

Nun treffen sich, Gott Lob!, zwei sehr naive Personen: Claude hat, als nicht Musiker, nicht so wirklich die Peilung, was zum Spielen mit Keneally eigentlich erforderlich ist, .....und ich auch nicht. Ich habe ein paar Stücke im Hintergrund an der Theke sitzend gehört, besitze selbst auch eine CD (The Mistakes), die "weitgehend improvisiert" ist, und sage: "Klar, mach ich."  Von "Dancing" sind mir nur ein paar eingängigen Riffs im Ohr und den ganzen Improvisierkram kann ich ja sowieso.....denke ich. 

Claude meldet nun an Mike, er habe zwei Typen, die seinen Scheiß spielen, und das reicht Keneally für eine Zusage. -- Wer sich sowas reintun will, muß es ernst meinen ... damit kann man arbeiten -- eine von Keneally´s so ungewöhnlichen Auffassungen!

Nun konfrontiert mich Claude aber mit der Realtät: Es gibt bislang acht CDs von Keneally, ein stattliches Oevre, aber gleichzeitig spielt er ja auf Zuruf nach Laune auch jedes Zappa Stück, und -was mich später an meine Grenze gebracht hat- auch jede Beatles Nummer , oder irgendwelchen Kram. Ich begreife nun, daß meine Antwort "Klar, mach ich!" irgendwo zwischen Chuzpeh und Hochstapelei anzusiedeln ist, aber nun Kneifen kann ich mir nicht leisten, dafür haben das schon zu viele mitgekriegt. Und natürlich will ich ja auch mit dem Freak spielen!

Zwei Monate Zeit habe ich, höre die Platten rauf und runter, fange an, mich in die Musik zu verlieben. Aber ich weiß natürlich immer noch nicht, mit wem ich es eigentlich zu tun habe?  Wie geht der Mann mit seinen Stücken um?

Zum ersten Mal wird mir klar, wie wichtig es ist, die Person und das spezifische Konzept zu kennen, denn die Musik ist viel zu komplex, als daß ich sie in zwei Monaten umfänglich erfassen könnte. In der Vorbereitung  entscheide ich mich für -ich sage mal-  eine beamtische Herangehensweise, d.h., ich versuche so gut es geht, Stücke zu transkribieren. Das war nie mein Ding, aber ich habe jetzt Muffensausen, und genau das scheint der Anker zu sein. -----

Wie anders dann, als dieser Typ auftaucht! Unsere Probe ist am Vorabend des Konzertes auf der Bühne im Waldsee, Achim hat alles "schön" gemacht. Keneally kommt, wir machen uns bekannt, trinken was, nehmen ein Häppchen, fangen an zu proben: Er ruft das relativ einfachste Stück auf (Blameless), zählt ein, wir starten und nach sechzehn Takten bricht er ab.  ???  Er habe eine Fehler gemacht, sagt er, entschuldigt sich und fragt, ob jemand das booklet aus der CD zur Hand hätte, er sei sich nicht im Text sicher...... ;-)    Was für ein Typ!!!!!   Natürlich hatte er keinen Fehler gemacht, natürlich ist der Text völlig egal für eine Probe..... aber er hatte Jaan und mir einen riesigen Stein von den Schultern genommen! -- Und danach ging alles wie durch Butter, wiewohl die Nummern nicht einfacher wurden. Nach gut einer Stunde artete die ganze Sache dann in santanaeske Jams aus.

Resultierend aus dieser Probe wich MK sogar von seinem Vorhaben ab, ein Set akustisch solo zu spielen, und begrenzte das auf drei Stücke innerhalb des Konzertes. Eines davon, "Live In Japan", war eines meiner Favorites, aber ich hatte es nicht genannt, obwohl Jaan und ich uns vorher per Email Stücke hatten aussuchen dürfen, weil ich nicht gedacht hätte, daß man es überhaupt zudritt hätte spielen können! Die nächste Lehre: Alles geht! Gib dem Mann Geld und er spielt Yessongs komplett solo auf der Wandergitarre!! Ohne Scheiß!!! -- Alles Neuland für mich.

Glücklicherweise war das Publikum in Freiburg in diesem ersten Jahr auch nicht so vertraut mit dem Keneally Oevre, zumindest gab es kaum Rufe nach irgendwelchen Stücken, so daß wir einigermaßen einer Setliste folgen konnten (später gab es sowas gar nicht mehr). Die enthielt auch echte Entspannungsphasen, wie zum Beispiel "Cinnamon Girl" oder "The Making Of Drowning Witch" (was nur aus dem Sechzehntellauf und dem folgenden Solo bestand). Ansonsten habe ich mir meinen Applaus eher "im Schweiße des Angesichts" verdient, denn "playing with Keneally is walking a mine field", wie selbst sein langjähriger Bassist Bryan Beller sagt. 

Später übrigens von ihm noch schöner formuliert in Bezug auf ein bestimmtes Lied (welches, weiß ich gerade nicht mehr):

"This song is like playing in 5/4 backwards in a black man´s ass."

 

 

 

 

 

 

 

27.7.2003: Mike Keneally auf der Zappanale

 

Mike Keneally git, voc, key; Jaan Wessman bass.  (Ike Willis on unwanted keyboard contributions)

 

Jeezus! 

Die Zappanale ist - für die, die es nicht kennen - ein dreitägiges Festival in Bad Doberan um ....natürlich Zappa. Das ist prinzipiell sehr löblich. Seit 1990 treffen sich dort alle Zappaheads, um den verschiedenen, mitunter richtig schrägen Zappa Cover Bands zu lauschen. Dazu werden dann regelmäßig "echte" Zappa Alumni geladen, und so waren in diesem Jahr wir als Headliner gesetzt: Sonntag Abend - Abschluß des Festivals.

Mike war schon in einem der Jahre zuvor dort gewesen, jedoch ohne eigene Kapelle, lediglich als Gastsolist in anderen Combos; deswegen hatte er auch schon ein gutes Gespür, welche Stücke dort regelmäßig, manchmal mehrmals am Tag gespielt werden. (Diesbezügliche Absprachen zwischen den Bands gibt es nämlich nicht.)

Etwa die Hälfte unseres Sets wollte er eigenes spielen, die andere mit Zappa Covers bestreiten, die dort (bis dato) eher Seltenheitswert hatten: Ich erinnere mich an Cucamonga, Time Is Money, Wind Up Working In A Gas Station...letzteres erstaunlich selten gespielt, denn es ist griffig und nicht übermäßig schwer.....vermutlich ist es seither öfter dort zu hören. Und natürlich: Inca Roads. Das ist schon irgendwie "Mike´s Stück", spielt er es doch eigentlich immer und überall und in jeder Besetzung, sobald nur jemand im Publikum vernehmlich "Inca!" ruft.

Mike hatte sich schon Ende der 90er angewöhnt, in den chaotischen zwei Takten, die im Original mit handwerklichen Exklamationen gefüllt sind ("Why don´t You sharpen that thing..."), den Anfang von "Jazzdischarge Party Hats" unterzubringen. Wie erfreut war ich, als er sich einverstanden erklärte, auf meinen Vorschlag hin "Party Hats" an dieser Stelle doch einfach komplett einzufügen. Praktischerweise hatte wir am Samsatg Nachmittag in irgendeinem Nachbarort ein umfunktioniertes (ebenerdiges) Büro zum Proben zur Verfügung gestellt bekommen, denn nicht nur dieses "neue Inca", sondern auch die anderen Stücke hatten wir zuvor nie ausprobiert. Bockelheiß war es, und so rissen wir als erstes die Fenster des Büros auf, bevor wir loslegten.....und irgendwie mußten sich Zeit und Ort dieser Probe im Fanlager rumgesprochen haben: Nach 10 Minuten standen draußen um die Fenster geringt an die 100 Leute und lauschten. Unsere eigene Entourage hatten wir ja schon drinnen platziert und so ergab sich eigentlich weniger eine Probe, als ein kleines Konzert -- bestehend aus lauter erstmalig gespielten Stücken -- und natürlich mit dem Höhepunkt des Inca/Party Hat - Medleys. Schon eine Besonderheit: Denn dieses 12 tönig anmutende Gitarren - Gesangsunisono spielen nicht allzuviele Menschen auf diesem Planeten nach. Für mich aber ein "Freispiel", denn der Drumpart ist weitgehend offen, klinkt sich nur an wenigen Stellen in die extrem vertrackte Sprachrhythmik ein.....Mother, Mary & Joseph: Ich hatte nie erlebt, daß ein Stück, noch dazu in einer Probe, so erhabene Freude bei mir auslöst.

Das war es aber auch mit meinem "Party Hat" Erlebnis, denn am folgenden Tag wurde unser Set während des Konzertes um etwa ein Drittel gekürzt, da das ganze Festival schon wahnsinnig im Verzug war.....und auf die abschließende (mediokre) Session keinesfalls verzichtet werden sollte.....also kein Inca.....

So bleibt vom eigentlichen Konzert überwiegend der nervtötende Ike Willis in Erinnerung, der völlig vollgekokst auf der Bühne auftauchte und begann Keyboard mitzuspielen, ein Instrument, das er nicht direkt beherrscht, schon gar nicht in Keneally Kompositionen, die er nicht kennt.... auf der anderen Seite ein wirklich tolles Gitarrensolo von Mike über "Yo Mama", welches auf der Festivals Sample CD festgehalten ist.

Vielleicht bedeutender für mich als all die konkreten musikalischen Eindrücke aber folgende Lage: Mit Mike zu spielen, war ohnehin schon aufregend...aber hier in Bad Doberan hatte ich nun drei Tage zu verbringen unter einem Bombardement von wirklich exzellenten Combos, z.B. die tollen "Octafish" aus Tübingen. Ich habe mich in früheren Artikeln ja schon intensiv über mein nicht so löbliches Konkurrenzempfinden ausgelassen; das war über die Jahre schon etwas weniger geworden, wurde hier aber urplötzlich extrem befeuert: Den Hauptakt des Samstag Abends, eine große Musiktheater Combo aus Österreich, die Joe´s Garage als komplettes Bühnenstück aufführte, mußte ich mir irgendwie madig machen: Ich fand sie hinter der Bühne unsympathisch -- wiewohl ich bestenfalls mit zweien von denen gerade mal zwei Sätze geredet hatte....Also beachtete ich deren (de facto fantastischen) Auftritt kaum. -- Als wenn das irgendwas genützt hätte! An diesem Samstag Abend hatte mein vorauseilendes Lampenfieber bereits einen neuen Spitzenwert erklommen.

Das steigerte sich nun im Verlauf des Sonntages ins unüberschaubare. Die für Sonntag Nachmittag platzierten Bands waren (für den Konkurrenz denkenden) nicht mal so beängstigend, aber es war auch klar, daß am Abend ALLE da sein würden, namentlich auch die alten Zappa Cracks... allen voran Napoleon Murphy Brock, meinem womöglich Lieblingssänger überhaupt... Ich tigerte. Mein Freund Carsten, der uns auf dem ganzen Trip begleitet hatte, erkannte die Situation und bot mir an, mit ihm die Szenerie zu verlassen und lieber zwei Stunden in der Ostsee schwimmen zu gehen....aber ich schwimme nicht gerne. Entschied mich stattdessen für einen Solo Spaziergang. 

Die letzten zwei Stunden müssen unerträglich gewesen sein, ich habe sie offenbar komplett aus meinem Gedächtnis verbannt, wenigstens die letzten 20 Minuten waren dagegen hilfreich, galt es doch, in festivaltypischer Eile mein Schlagzeug auf die Bühne zu bringen, das war wenigstens was handfestes...und dann fing es ja auch schon an, und zwar so schlimm wie befürchtet: Die beiden Bühnenaufgänge waren voll besetzt mit den Heavy Cats des Festivals, Napoleon genau auf meiner Seite, kaum zwei Meter entfernt in meinem Rücken. Und dann -- spiele ich ein für meine Verhältnisse ganz normales Konzert. Hier mal ein Stück etwas zu hibbelig, da ein paar kleine Patzer, aber alles in allem durchschnittlich. - Und dafür die ganze Aufregung?!

 --- Ich habe seither tatsächlich kein Lampenfieber mehr gehabt!

 

 

 

 

 

 

14.6.2004: Napoleon Murphy Brock in Umea

Mike Keneally g, key, voc; Jaan Wessman b; Napoleon voc, fl, sax

 

Kein Lampenfieber mehr? -- Na ja, zumindest nicht mehr so, daß es einem den Spaß verdirbt! Aufregend war das dann schon, gerade mal ein Jahr darauf mit NAPOLEON zu spielen. Der, mittlerweile 61 Jahre alt, klingt immer noch haargenau so wie auf "Roxy & Elswhere", und da er den größeren Teil seines Lebens damit verbracht hat, Zappas Lieder zu singen, fand er auch zwanzig Minuten Probezeit unmittelbar vor unserem etwa 70 minütigen Konzert gut bemessen. Immerhin hatte er sich im Vorfeld mit Mike geeinigt, welche Stücke gespielt werden sollten, nur nützte diese Information zwei Tage vor dem Konzert nicht mehr viel, denn auf dem Festival hatte ich überhaupt keine Zeit, da ich ganz unvermutet zum Festival drummer gekürt worden war und nun von einer Probe zur nächsten, dann von Auftritt zu Auftritt hastete....  Abends, nein, nachts dann im Hotel war natürlich kein Schlagzeug greifbar, und so mußte ich also zum Beispiel das durchaus komponierte Drumlick im Intro von Montana irgendwie mental aufs Schlagzeug projizieren, dazu noch auf das einzig auf diesem Festival verfügbare: Ein kleines Gretsch JazzSet, wunderschön, nur eben nicht gerade gemacht für zappaeske Rockmusik. 

Abgesehen von Napoleon und dem nun schon hinreichend gehuldigten Mike war hier die Besonderheit aber das spezifische Festival in Umea: Ein dezidiertes Kammermusik Festival im hohen Norden Schwedens (meine erste durchgängige Mitternachtssonne!). Die ganze Aufmachung war unserem klassischen Musikbetrieb nicht unähnlich, Konzerthaus, Proberäume das ganze layout....nur denkt der Schwede eben anders in Bezug auf "klassische" Kammermusik; Themenschwerpunkte waren nämlich neben dem Komponisten Gya Kancheli (welch eine Entdeckung für mich!), dem Starsolisten Boris Strulev am Cello unter anderem auch Volksmusik .... und eben auch Zappa. Ich hatte damals gleich nach der Rückkehr einen etwa dreiseitigen Bericht (handgeschrieben) als Brief an unser hiesiges Kulturamt geschickt, um einmal detailliert Zeugnis zu geben, wie man Musik auch begreifen und betreiben kann.....aber natürlich keine Reaktion erhalten. Leider habe ich keine Kopie davon und viele Einzelheiten sind mir natürlich entfallen. In jedem Falle haften geblieben ist aber der Austausch unter den (so verschiedenen) Musikern. Mit dem damaligen Cello Star Strulev verbrachte ich die halbe Nacht Bier trinkend, weil er auf mich nach unserem ersten Konzert zukam und irgendwas rhythmisches wissen wollte! Umgekehrt erklärte Keneally mir nach Strulevs Solo Konzert, daß er gerade ein komplettes Drehbuch für einen Film gesehen hätte....

Auch diese "Festval Drummer - Geschichte" paßt dazu. Da liefen nun einige exzellente klassische Percussionisten rum, aber ich war der einzige "Set-drummer". So hatte mich der Festival Chef schon im Vorfeld gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, auch noch in zwei anderen Ensembles zu spielen, einmal ein Gesangstrio mit schwedischer Volksmusik, dann etwas kopfige Kompositionen von Daniel Schnyder, die sich irgendwo zwischen zeitgenössischem und Jazz ansiedelten. Nun waren die Proben dafür jeweils über den Tag verteilt, im Wesentlichen im gleichen Gebäudekomplex, so daß bei jeder Probe auch andere Musiker rumsaßen und zuhörten. Nun kam tatsächlich nach jeder Probe, die ich gerade abgeleistet hatte, irgendjemand auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei ihnen auch mitzuspielen.... wow! -- Das spektakulärste Aufeinandertreffen war in diesem Zuge vielleicht das mit "London Baroque", einem Quintett für Barockmusik auf Originalinstrumenten. ...Ebenfalls ziemlich weltbekannt, diese schon etwas reiferen, ungemein distinguierten Damen und Herren; und der Zusatz "auf Originalinstrumenten" läßt eigentlich vermuten, daß sie musikalisch puristisch unterwegs sind. Vielleicht sind sie das ansonsten auch, aber eben diese Festivalatmosphäre muß sie geritten haben, mich zu ihrem Konzert einzuladen und ein paar Geräusche auf ganz und gar keinem Originalinstrument beizusteuern!

Ich habe noch ein paar Jahre Kontakt zu dem dortigen Festival Chef gehabt, er hat mich sogar mal in Freiburg besucht, aber da ich nun hier niemanden begeistern konnte, Musik einmal anders zu denken, soetwas vielleicht im Kleinen auch zu probieren, hat sich denn doch kein wirklicher Austausch ergeben...so liegt nun auf der Umea Erfahrung auch wieder eine ordentliche Staubschicht...

 

22.-24.4.2005: "45" in Padua

Willi Oteri g; Chris Boulet voc, g; Toni Levin b; Enrico Crivallero g; und viele andere..

 

Schon in 2003 hatten mich Willi Oteri und Chris Boulet, die Macher dieses Spektakels, nach Padua eingeladen, um an ihren Marathon Jams teilzunehmen. Die ersten beiden events waren auf 33 1/3 Stunden angesetzt, bei denen ein Haufen lokaler und geladener Musiker im fliegenden Wechsel eine nonstop Improvisation abliefern sollten. Nun war der nächste Schritt die "45". (Davon gab es dann im gleichen Jahr noch eine "45 B-side", und vor dem Zustandekommen der "78" ist die Sache dann eingeschlafen.)

Ich war dort durch die ersten Touren mit Mike ins Visier geraten, zählte also zu den "geladenen Gästen" und genoß einen gewissen Exotenstatus, der mir sogar ein paar Interviews in italienischen Progrock Journalen einbrachte. Ich mag diese Art happenings und ich freute mich auch, auf diese Art mit einer ganz eigenen Szene in einer für mich ganz neuen Stadt in Kontakt zu kommen, Italien überhaupt war bis dato ein nur dürftig beschriebenes Blatt in meiner Vita... so habe ich also alle vier dieser Marathons mitgemacht. -- Und das, obwohl es doch musikalisch streckenweise schwer zu ertragen war: Die angekündigte Improvisation entpuppte sich weitgehend als Durcheinander über einem Backbeat und den Akkorden a und e, zeitgleich mit einem Wettbewerb, wer der lauteste sei. Vor diesen Sessions habe ich ja in Freiburg schon vor Jahren reiß aus genommen, nun am fremden Ort war ich zunächst vielleicht etwas höflicher, spätestens in diesem Jahr aber konsequent genug, die Bühne zu verlassen, sobald sich wieder so eine Tinitus-Guerilla formierte.

Zum Glück aber bin ich Nachtmensch und die ganze Testosteron Parade beruhigte sich denn doch deutlich in den Morgenstunden, so zwischen 5 und 9 Uhr früh. Da konnte es dann schon mal zu echt spannenden, sensiblen Momenten kommen und ebenfalls zum Glück ist der ebenfalls geladene Gast Tony Levin ebenfalls ein Nachtmensch, so daß wir in diesen morgendlichen Zeiten ein paar bemerkenswerte Momente hatten, wie z.B. auch diese Anekdote, die ich hier aus einem anderen Aufschrieb übernehme:

Anfang der 2000er hatte ich mich mal eine Weile damit beschäftigt, Schlagzeuggrovves zu spielen, die ausschließlich quintär sind, also eben nur aus Quintolen bestehen.  (Früher pflegte ich ja gerne, mich mit solchen Dingen zu stressen... ;-)
Wenn ich das dann tatsächlich mal irgendwo angewendet habe, hat es seitens der Kollegen nur Fragezeichen, mitunter auch geharnischtes "Du schleppst!" hervorgerufen. Das ist tatsächlich schwer zu identifizieren und mit einigen, wenigen Kollegen gelang es auch mal (nach eingehender Erklärung), wirklich gemeinsam im quintären System zu spielen......
Lediglich seinerzeit in Padua beim 45 Stunden Improkonzert steht dieser Sack von Tony Levin direkt neben meinem Schlagzeug, wir dudeln so vor uns hin und dann denke ich: So, Tony, jetzt irritier ich Dich mal!  -- fange also meine Quintolenpattern an, und der Drecksack steht neben mir, lächelt und spielt nach nicht einmal einem Takt auf meinem linken Becken mit seinen "funky fingers" (das sind die abgesägten Trommelstöcke auf den Fingerspitzen, die er zum slappen benutzt) ... lupenreine Quintolen!
Und das in einem Tohuwabohu von bestimmt sechs anderen, wild improvisierenden Freaks auf der Bühne.
Chapeau, Mr. Levin!
 
 
 
 

26.-28.5.2006: Chadbourne in Nancy

Eugene Chadbourne g, voc, banjo; und ganz viele

 

Wie es zum Zusammenschluß mit Chadbourne kam, ist auf ebendieser Seite unter "aktuelle Programme" nachzulesen, denn unser Duo hat sich über die Jahre zu einer festen Institution gemausert. In diesem Jahr war es aber noch relativ frisch (wir hatten uns erst auf der Zappanale 2003 kennengelernt, und danach gerade mal ein paar Konzertchen gespielt) und so war es schon überraschend, als Chad mich für eine ganze Woche auf das Nancy Festival einlud, bei dem er als Wild Card Artist jeden Tag mit einer anderen Formation auftreten durfte. Noch dazu hatte er eine ganze Riege von Trommlern eingeladen, und so fand ich mich zwischen den recht klangvollen Namen Paul Lovens, Jimmy Carl Black, Michael Vatcher, Mike Dillon und Tony Buck wieder.

Überhaupt hatte Chadbourne eine wunderbare Mischung aus "big names" und vergleichsweise Unbekannten, mit denen er aber einfach gerne spielen wollte, so z.B. ein paar Kollegen aus seiner Heimatstadt Greensboro. Das bei so einem Festival durchzusetzen, ist schon sehr beachtlich -- und ich habe das auch später noch bei ihm erlebt, daß er z.B. sogar Jobs komplett abgesagt hat, wenn ihn ein Veranstalter überreden wollte, statt meiner doch lieber mit einem bekannteren Trommler aufzulaufen...!

Und so ist das eine der schönsten Festivalerfahrungen im gemeinschaftlichen Sinne: Ob no name Musiker, oder ob Oliver Lake, Phil Minton, oder wer auch immer -- wir waren alle im gleichen Boot, spielten alle für Chadbourne und hatten uns den mitunter kruden Spielideen zu fügen, darunter die Vertonung und "Inszenierung" von Poe`s "The Raven", in breitestem Südstaatendialekt vorgetragen von Jimmy Carl Black, den Chadbourne bei den Proben mit Engelsgeduld in die englische Lautung des frühen 19. Jahrhunderts einführen will. Dann eine Besetzung mit einem Portugiesen, der seine Musik produziert, indem er ein oder zwei verkabelte Tonabnehmer in den Mund steckt und dann seine Zähne mit einer elektrischen Zahnürste ohne Aufsatz traktiert. Dann gibt es ein Ensemble, das ausschließlich Johnny Paycheck Stücke spielt, bei dem Chad aber darauf geachtet hat, daß mindestens drei Leute dabei sind, die noch nie was von Johnny Paycheck gehört haben und auch Instrumente spielen, die es auf keiner Paycheck Aufnahme, oder auch nur artverwandten zu hören gibt, wie z.B. englisch Horn, Waldhorn oder Oboe.

Ich selbst bin für drei Besetzungen eingeteilt, die ich aber nicht für das allerspannendste dieser Woche halte. Immerhin repräsentiert eine davon unter dem Namen "Baptist Church" den eher rockigen Part, und da treffe ich auch wieder auf den famosen Roddie Gillard, Bassisten und leader der Liverpooler "Muffin Men".

Und an der "Raven - Inszenierung" nehme ich teil..... und die ist von der theatralischen Qualität eines Krippenspiels im Sonderschulzweig der Gemeinschaftsgrundschule Neukirchen Vluyn. Ich glaube, es war mir sogar peinlich auf der Bühne. Erst im Nachhinein, auch infolge intensiverer Auseinandersetzung mit dem Chadbournschen Universum kam mir der Gedanke, daß das vielleicht auch extrem gut war..... ich weiß es einfach nicht. Das Publikum als Gesamtheit übrigens auch nicht: Ein Teil applaudiert fast schon frenetisch, ein anderer Teil verläßt schweigend den Raum! -- Das mußt Du auch erst mal schaffen! Da kenne ich außer Chadbourne auch niemanden....  so ganz nebenbei ist das auch noch der Abschluß dieses einwöchigen Festivals...  ;-)

Andere backstage Anekdoten:

Phil Minton frage ich nach seiner multiphonics Gesangstechnik. Darauf hin singt er mir einen Akkord (!), verändert dann nur den mittleren Ton (ohne abzusetzen), morpht somit von Dur nach Moll. Mein fassungsloses Gesicht versucht er zu beschwichtigen: Er könne das nicht immer völlig kontrollieren, deswegen setze er es live kaum ein....      Nun gut, schön daß er es hier in der Garderobe konnte! (Bei seinem folgenden Set macht er es tatsächlich nicht.)

In der großen Gemeinschaftsgarderobe sitze ich neben dem schwarzen FreeJazz Pianisten Pat Thomas und rein zufällig kommen wir darauf, daß wir beide als Kind voll auf Suzie Quatro abgefahren sind. Von nun an wird jeder, der in die Garderobe kommt nach seinem Verhältnis zu Suzie Quatro gefragt. Aus der Antwort ergibt sich, wie cool jemand ist und dementsprechend weist Thomas Sitzplätze zu, die näher oder weiter weg von unserer Ecke sind. Mit den nahe sitzenden werden detaillierte Pläne über ein überdimensioniertes Suzie Quatro Cover Project geschmiedet.

Das ist schon wirklich bizarr auf einem der Top "Free Jazz Festivals"!

 

 

 

 

2007: Palazzo mit Penny, Hendrik, Felix, Chris und Sandra

Sylvia Oelkrug (vio); Hendrik Gosmann (b); Felix Groteloh (git); Chris Nemet (p); Sandra Klinkhammer (voc)

Dieser Artikel hat mich lange von der Fortsetzung der Reihe abgehalten und wahrscheinlich mußte ich warten, bis ich in einer extrem guten musikalischen Phase war, um über jene bedenkliche Palazzo Saison schreiben zu können.

Palazzi hatte ich nun schon einige "auf dem Buckel", beginnend im Jahr 1997 als Hilfstrommler, ab 2000 dann alle Jahre wieder als musikalischer Leiter (ein Titel, der mir immer unangenehm war, da ich das ganze viel lieber als Band, denn als "Arbeitsplatz" sehen wollte).

Im Lauf der Jahre hatte ich also definitiv einiges an Erfahrung gesammelt, hatte versucht, in der Programmauswahl immer ein Stückchen krasser zu sein, als die Musiker es erwarten konnten, dachte mir spontane, unerwartete Arrangements aus... einfach nur, um diese Geschichte nicht zur Routine werden zu lassen, was bei gut 50 Aufführungen am Stück für mich das größte Schreckgespenst war. Das lief über die Jahre mal besser, mal schlechter - je nach Typ Musiker, die ich zwar selbst ausgesucht hatte, aber in so einer Situation beim ersten Mal kaum einschätzen konnte. Welche Entspannung schien nun dieses Jahr zu versprechen: Zum ersten Mal hatte ich eine Band, deren Mitglieder alle schon ein oder sogar mehrere Palazzi unter meiner Fuchtel hinter sich gebracht hatten. Mir kam es wie eine "Best Of" - Besetzung vor, und so präsentierte ich auch das vermutlich vielseitigste Programm von allen, dennoch wie aus einem Guß. Ich erinnere mich an den "Typewriter" (live Schreibmaschine plus Band), der echte Qualität als eigenständige Variete Nummer hatte, neben "Supermarket People" (einem so derartig nicht Palazzo kompatiblen Stück von der gerade erschienenen Solo CD von Bryan Beller) -- nur um einmal die Spannweite anzudeuten. Das alles recht mühelos und auf wirklich hohem musikalischen Niveau....

Es schien so einfach, daß ich mich schon während der Probephase kaum um die Band kümmerte, die lief ja von alleine - und war wahrscheinlich ganz froh, daß ich nicht ständig nörgelte oder mit komischen Ideen ankam. Ich dagegen war mehr in der Nähe von Stefan, der erstmalig allein den Regieplatz eingenommen hatte. Dazu hatte ich ihm dringend geraten, und nun fühlte ich mich auch verpflichtet, ihm zur Seite zu stehen, oder wollte vielleicht auch nur etwas lernen in dem Bereich, der ja deutlich außerhalb meiner Bandleader Erfahrung lag (aber dennoch in Teilen sehr ähnlich ist). Dieser Regie orientierte Fokus zog sich naturgemäß bis in die ersten Aufführungswochen, und kleinere Irritationen in der Band schrieb ich eher der Pärchen Problematik zwischen mir und Penny (Sylvia) zu, die in so einer Situation natürlich immer eine gewisse Potenz zur Spannung hat.

Leider war mir völlig entgangen, daß in der Zwischenzeit sich innerhalb der Band ein sehr viel größerer Graben aufgetan hatte: Ausgehend von den beiden Damen, die sich aus (mir bis heute unbekannten Gründen) auf einmal nicht mehr grün waren, wiewohl sie schon eine ganze Saison problemlos zusammen gespielt, und gerade vorher noch gemeinsame Galajobs bestritten hatten. Sandra hatte zwischenzeitlich versucht, einen Teil der Band auf "ihre Seite" zu ziehen (partiell erfolgreich), Penny war zu stolz für derart intrigante Spielchen und versuchte die Situation als Einzelkämpferin durchzustehen. Chris bemühte sich immerhin, allen gegenüber loyal zu sein (so gut es ging), Hendrik dagegen, sich möglichst rauszuhalten -- ausgerechnet Hendrik, der mir in den vergangenen Jahren immer Ratgeber war und signalisiert hatte, wenn mein Führungsstil abzuheben drohte.

Für mich gab es nun aber nichts mehr zu reparieren, ich wußte ja nicht mal worum es ging, war offenbar nicht einmal selbst der größte Stein des Anstoßes; fast ein Glücksfall war es noch, daß wir in diesem Jahr extrem mit Lautstärkebeschränkung zu tun hatten - bislang immer ein Thema, nie aber so drastisch wie in diesem Jahr. So konnte ich wenigstens kurz die Band vereinen, indem ich gemeinsamen Elektrostreik ausrief, also ohne Vorankündigung ein Set mit allen Musikern auf der Bühnenkante sitzend, völlig unplugged darbot. Das bescherte intern einen kleinen Eklat, der uns wenigstens für ein paar Tage zum Zusammenhalten zwang....

Als sich diese Wogen dann wieder geglättet hatten, gaben wir uns weiter den Sandkastenspielchen hin, mittlerweile ergänzt durch eine massive Beziehungskrise zwischen mir und Penny, da sie verständlicherweise von mir nicht genügend Rückhalt zu bekommen empfand, mir im Gegenzug dafür dann privat die Hölle heiß machte.

Ich sehe mich vor mir, wie ich in den letzten Wochen nur noch die Tage gezählt habe, einfach wollte, daß es vorbei geht; die Sache hinter mich bringen und dann Stefan (nach sieben Jahren) sagen, daß ich für so einen Job schlichtweg ungeeignet bin.

Einige Wochen und ungezählte Spaziergänge später nahm ich zumindest von diesem Plan Abstand (zum Glück, denn die folgenden zwei Jahre bescherten mir bezeichnenderweise die harmonischste Band von allen -- vielleicht habe ich ja doch was gelernt dadurch.. ;-)

Für das bald folgende Ende meiner "Kiste" mit Penny war jene Zeit wohl nicht Ursache, aber gewiß der berühmte Tropfen.... Sandra habe ich seither nicht mehr gesehen oder gesprochen, mit den anderen Musikanten hat sich alles mehr oder weniger eingerenkt, nur diese Zeit bleibt ein absolutes Tabuthema. Über ein paar Ecken hörte ich in den folgenden Jahren ab und zu mal ein statement der Kollegen, aber wirklich erhellendes oder aufklärendes habe ich bis heute nicht gefunden.

Sorry. Auch an alle Musiker aus den anderen Jahren mit all den tollen Momenten, über die ich nun nicht berichtet habe....einfach weil diese Palazzo Spielzeit die für mich wirklich extremste war.

 

 

 

13.2. 2008: Bella im Irish Pub

Bella Nugent voc, git

Vorsicht: Schroeder ist SEHR voreingenommen, also noch mehr als bislang schon -- und es könnte in Lobhudelei ausarten.

Dabei ist dies zunächst rein technisch gesehen einer der wirklich bescheidenen Jobs, die unter anderen Umständen eigentlich kein Mensch braucht: ein typischer Irish Pub (bei mir um die Ecke) -- sehr viele, sehr betrunkene, sehr laute Menschen; eine sehr ungeeignete Hausanlage, bestenfalls zum Abspielen von CDs brauchbar; schließlich ein nicht gerade publikumsorientiertes Programm: Bella tritt an mit ihren schlichten, tendentiell balladesken Liedlein und die Tatsache, daß sie immerhin halbe Irin ist, hat ihr zwar den Job und einen Stein im Brett bei der (liebenswerten) Betreiberin eingebracht, beschert ihr aber kaum mehr Aufmerksamkeit beim Publikum, das teils aus ebendiesen deutschen Irish Pub Besuchern besteht, teils noch schlimmer: diesen englischen "expatriots", die offensichtlich urplötzlich auf europäischem Festland ihre Liebe zur irischen Tradition, oder was sie dafür halten, entwickeln.

Genauso verläuft dann auch der Job. Etwa acht Interessierte rücken mit den Stühlen immer näher an die Bühne, die leicht erhöht mit einem Geländer vom Kneipenraum getrennt ist. Das erschwert den Aufbau erheblich, man mag sich aber vorstellen, daß dieses Geländer durchaus seinen Zweck hat, wenn jene Saufliederbarden und Partybands aufspielen, die hier für gewöhnlich antreten und fraglos einen besseren Dienst am Kneipenvolke tun. Obwohl unsere acht Fans nun schon die Bühne mit ihren Zehen berühren, sind es doch mehr Zuschauer als Zuhörer, denn Bella ist weder willens, noch in der Lage, gegen den allgemeinen Geräuschpegel anzustinken, der übrigens noch durch eine Live-Rugby Übertragung in den zahlreich positionierten Fernsehern befeuert wird.... Eigentlich hatte ich ja schon vor ein paar Jahren beschlossen, nicht mehr jeden Scheiß mitzumachen!

Auch wußte ich vorher genau, was mich erwarten würde, denn der Laden ist -wie gesagt- bei mir um die Ecke und ich kenne die Atmosphäre zur Genüge vom Vorbeigehen und Wegschauen. Zudem war es überhaupt Bellas Solo Gig, dem ich mich fast nötigend aufgedrängt hatte.... und sie hatte noch nie "nur mit einem Schlagzeuger" gespielt, war rechtschaffen skeptisch, wie das wohl funktionieren sollte.

Abschlagen wollte sie mir die Teilnahme aber auch nicht, da ich aus ihrer Sicht wohl recht etabliert in der Szene schien (ich hatte sie schon im Jahr zuvor für eine größere Produktion mit verschiedenen Sängerinnen eingeladen), in die sie, eigentlich Straßenmusikerin, ja gerade erst vorsichtig reinschnupperte. Zudem war da auch schon deutlich spürbar ein wechselseitiges Kribbeln, das sich im Laufe des Jahres zu einer echten Beziehung (bis zum heutigen Tage) auswachsen sollte. Insofern taten wir beide wohl das richtige, auch wenn sich das alles weit außerhalb unser beider "Komfortzonen" abspielte: Unser erster Duojob -- unter so beschissenen Umständen!

Und wieder so eine neue Erfahrung für mich: Seit 25 Jahren hatte ich mit Leuten gespielt, die entweder explizit musikalisches Können präsentieren wollen, oder zumindest eine Form von Souveränität im Vortrag anstreben. Selbst ein Typ wie Chadbourne, der die meisten der gängigen musikalischen Ideale verweigert, ist ja doch auf seine eigene Art virtuos - und sich dessen wohl bewußt. -- Bella ist eine Musikerin, die nichts und niemanden beeindrucken will. Nicht sie singt, ES singt aus ihr. Musik ist für sie ein Phänomen, an dem sie, wenn es gut läuft, teilhat, ohne darüber nachzudenken. Ich habe sie in der ganzen gemeinsamen Zeit nicht einmal technisch Üben gehört; das heißt keinesfalls, daß sie sich nicht gewissenhaft vorbereitet - auf ihre Art pedantischer als so einige, wenn es darum geht, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen; aber selbst in so mancher heftigst frei improvisierten Situation, in die ich sie in den letzten Jahren gestürzt habe, singt sie "ein Lied" - etwas, das nicht ihr gehört; sogar, wenn sie ihre eigenen Songs ganz alleine spielt, präsentiert sie nicht sich, sondern etwas, bei dem sie mitmachen darf.....

Das hat mich in den vergangenen Jahren auch manches graues Haar gekostet, denn Musiker mit einem kontrolliert einsetzbaren Fundus an Techniken, die sich selbst als Schöpfer musikalischer Momente begreifen, sind in vielen Fällen wesentlich praktischer; selbstdarstellerischer Ehrgeiz ist ein effizienter Treibstoff für künstlerische Entwicklung! -- Aber Bella verkörpert etwas in natürlicher Reinform, das ich für mich immer AUCH haben wollte -- so ganz bewußt, ganz intellektuell.... mittlerweile weiß ich, wo hier MEINE Grenzen sind! 

Die Erinnerung an jenes erste Duokonzert spült auch zwei lustige Eigenheiten zurück ins Bewußtsein: Bella hatte die Eigenart, in ihrer 6/8 Liedbegleitung auf der Gitarre immer vor einem Akkordwechsel ein Mühchen zu zögern. Im Beispiel "Satisfied Mind" war das immer an der gleichen Stelle immer die gleiche Verzögerung von circa einer 1/32 Note. Zu Beginn hatte ich mir noch zur Aufgabe gemacht, das genau so mitzuspielen, im Laufe der Zeit aber die Situation durch sanften musikalischen Druck "begradigt". Ebenso wies ich sie in dieser Anfangszeit auf ihre Marotte hin, fast jede Phrase mit einem leichten "fall" nach oben zu beenden, ein Phänomen, das wir seitdem "the cranberry fifth" getauft haben. Das war ihr überhaupt nicht bewußt gewesen, aber einmal darauf hingewiesen, hatte sie es binnen weniger Wochen komplett abgestellt. (Nur manchmal bei großer Aufregung gibt es davon noch ein kaum hörbares Nachklingen.) 

Beide Eigenheiten waren also an jenem Abend noch voll im Programm, und deren Abschaffung hat Bella bestimmt weiter gebracht für all die Dinge, die sie jetzt so spielt, aber....ich komme mir auch vor wie ein Missionar, der den "rechten Glauben" und gleichzeitig fiese Zivilisationskrankheiten verbreitet.

Immerhin habe ich mit Bella seither in nur acht Jahren so viel gespielt, wie mit kaum jemand anderen in meiner ganzen aktiven Zeit, also kann man vielleicht davon ausgehen, daß es eine gegenseitige Annäherung wie bei Hund und Herrchen (oder in dem Fall Frauchen?) gibt? 

Ich selbst sehe und bewerte Konzerte in der letzten Zeit auf jeden Fall mit deutlich anderen Maßstäben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

31.3.2008: MKD plays Zappa im Waldsee

Sylvia Oelkrug, vio; Jan Fitschen b, stick; Sascha Bendiks voc, acc, p; David Lemaitre git

 

Ich denke, ich bin schon so ein Band-Typ; also, Bandleader Typ, um präzise zu sein. Nicht, daß ich mich für einen besonders guten Bandleader hielte, ich meine damit eher, was ich mir wünsche: Programme zu konzipieren. Ich bevorzuge diesen Ausdruck gegenüber dem Wort Arrangieren, oder Komponieren - das mag zwar auch ein Teil davon sein, aber die größte Freude habe ich, wenn ich einen Konzertabend planen kann, eine Setliste erstellen, mir Übergänge ausdenken, die Form der Präsentation bishin zum "staging", also kleine theatermäßige Spielanleitungen für ein Ensemble und mich selbst natürlich. Wenn ich das alles planen darf, ohne langes Diskutieren, ohne erst Kollegen überzeugen zu müssen, dann spielt es gar nicht mehr so eine große Rolle für mich, ob da nun meine Stücke, die von den Kollegen, oder "Covers" gespielt werden...meine Handschrift ist das Konzept.

Leider scheinen meine Konzepte aber nicht immer unwiderstehlich auf die Kollegen zu wirken und auch meine Reputation in der Freiburger Hack- und Pickordnung ist nicht unbedingt so beschaffen, daß ein jeder Musiker alles daran setzen würde, einmal bei einer meiner "Giraffen" (wie Stefan Schönfeld und ich die etwas komplexeren Programmgebilde nennen) mitzuspielen und dafür sogar zu üben....

Unter anderem deswegen hatte ich Anfang der 90er Jahre die letzte Konstellation, die ich als "meine Band" bezeichnen würde, ansatzlos aufgegeben. Zu stark war das Gefühl, die Musiker immer um einen Gefallen zu bitten, wenn ich etwas übungsintensives einstudieren, oder etwas ungewöhnliches ausprobieren wollte. Da kamen mir diese Palazzo Shows ab dem Jahr 2000 ganz recht: Inhaltlich natürlich nicht mit "meiner Musik" vergleichbar, sondern immer in Hinsicht auf ein Dinnershow Publikum, gab es aber doch jede Menge zu konzipieren und vor allem gab es -Geld. Regelmäßiges Geld - allabendlich ... und siehe da: es eröffnete sich mir ein Pool bereitwilligster Musiker, deren Vorbereitungs- und Probemöglichkeiten nicht von Omas Geburtstag, dem Namenstag der Freundin oder Musikunterrichtsstunden eingeschränkt war. Diese erfreuliche Situation nutzte ich nun 11 Jahre lang weidlich aus, und meinen persönlichen Höhepunkt hatte ich wohl in der Saison 2004/05, als ich ein komplettes 30minütiges Dinnermusikset aus Zappa Kompositionen zusammen bastelte. Das bestand aus den rein instrumentalen Peaches, 20 Small Cigars, The Idiot Bastard Son, Holiday In Berlin, Toads Of The Short Forest und RDNZL (!) .... alles während weitgehend musikuninteressierte Menschen sich Fisch an irgendetwas in den Kopf steckten. (Erstaunlicherweise ist dieses übrigens eines der wenigen Sets in meiner gesamten Palazzo Zeit gewesen, das praktisch gar nicht kritisiert wurde!)

Nun war also ein musikalischer Pflock eingerammt, der Übeaufwand so groß gewesen, nach 50 shows aber auch so eine spielerische Leichtigkeit erreicht, daß es kein großer Schritt mehr war, dieses Set zu einem kompletten Konzertprogramm auszudehnen. Dachte ich.....  Mit dem Wegfall des wirtschftlichen Überbaus "Palazzo" stellten sich aber auch bald wieder die üblichen Widrigkeiten des Bandlebens ein, so daß in den nächsten zwei Jahren verschiedene Anläufe und Umbesetzungen nötig waren, bis sich eine Kerntruppe aus Sascha am Klavier, Akkordeon und nun auch verstärkt Gesang, Penny an der Geige zuständig für alles virtuose (beide noch aus der Palazzoband) und endlich wieder Jan an Stick und Bass bildete. Mit dieser ungewöhnlichen Besetzung brachten wir immerhin ein abendfüllendes Zappa-Programm zustande, wobei mir schon vorschwebte, jeweils für Konzerte verschiedene Sologitarristen einzuladen. -- Und da hatte ich auch schon jemanden im Visier: Bei einem der öffentlichen Zwischenprüfungskonzerte der übrigens höchst zweifelhaften Jazz und Rockschule war mir ein junger Bolivianer aufgefallen. An der Schule tat er sich schwer; kein Wunder: in Sachen Musik konnte dem damals 23jährigen dort kaum jemand was beibringen, der war schon längst woanders!

David Lemaitre hatte bis dahin vielleicht mal gerade den Namen Zappa gehört, war aber in kürzester Zeit voll auf unserem Level, spielte all das krude Zeug mit und bescherte uns an diesem Abend das wohl schönste Solo, nämlich über "Yo Mama", das auch noch irgendwo im Netz herumgeistert.

Überhaupt eine traumhafte Atmosphäre im Waldsee an jenem Abend, erstaunlich gut gefüllt (trotz eines seriösen Eintrittspreises), Achim in bester Gastgeberlaune und wir in wirklicher kochender Verfassung. In dieser für Zappa-Verhältnisse spartanischen Besetzung arbeiteten wir uns auch durch Cheepnis oder Inca Roads, gerade zu letzterem fühlte ich mich seit meiner Keneally Erfahrung höchst berufen. The Black Page als Drumsolo hatte ich mir ja schon in meinen endzwanziger Jahren herausklamüsert, Sascha sang ein bezaubernd souliges "Uncle Remus" und war mit dem opernhaften "Penis Dimension" keineswegs überfordert, aber doch so gefordert, daß er gar keine Kapazität mehr hatte für jenes gewisse "posing", das er in der letzten Zeit in anderen Bühnensituationen zu entwickeln begonnen hatte. Penny tanzte förmlich durch all die heftigen Septolen und Zweiunddreißigstel Passagen und der unglaubliche Jan Fitschen zeigte fast wie in einem Lehrvideo in "Advance Romance", wie knallhartes Form Nageln und butterweiches Reagieren unmerklich ineinander übergehen können.

Ich selbst erlaubte mir neben all der Spielerei noch das ein oder andere Schmankerl mit dem Publikum, nicht mehr so schrill wie früher, dafür vielleicht etwas subtiler, bot weiße unbedruckte T-Shirts als unser Band merchandising zum Verkauf an, ebenso wie Cds, die nicht das geringste mit uns zu tun hatten; beides Persiflage auf die damals grassierende Unsitte des "während des Konzert Verkaufens".

Die künstlerische Qualität dieses Abends mögen andere beurteilen, aber ich kann auf jeden Fall behaupten: Dieses Konzert war so vollgestopft mit Ideen, Spielereien, verschiedenen Text- und Musikebenen, daß ich fest überzeugt war, in den folgenden Wochen mit Anfragen und Angeboten von unterschiedlichsten Seiten überrannt zu werden. 

Hmmm. Das einzige Angebot war die indirekte Anfrage seitens der Zappanale, ob wir da spielen wollten. Ohne Gage. In Bad Doberan.

De facto haben wir dann noch ein paar Mal gespielt (natürlich nicht auf der Zappanale!), durchaus noch bemerkenswerte Abende, aber meist in Kombination mit irgendwas anderem, nie mehr so umfassend für sich allein stehend. Und irgendwann ist die Sache dann auch wieder eingeschlafen. Warum? -- Ich weiß es nicht. Auf meiner Internet Seite ist "MKD plays Zappa" noch als "aktuelles Programm" zu finden, einen offiziellen Schlußstrich gibt es also gar nicht...aber vieles spricht gegen eine Neuauflage. 

Schade.

 

 

 

 

6.4.2009: Penny im Litfass

Sylvia Oelkrug, vio; Konrad Wiemann, perc

 

Arrgh! Jetzt heißt es für mich: Zähne zusammen Beißen. Und durch. Kurzer Artikel, aber ehrlich.

Wie sehr ich in Bezug auf dieses Konzert mit mir selbst beschäftigt bin, mit meinem Ärger über mich selbst, zeigt schon, daß ich mich nicht mal mehr erinnere, ob da noch jemand mitgespielt hat. Und das, obwohl es ja gar nicht mal sooo lange her ist. Aber es handelt sich um das Flagschiff meiner musikalischen Niederlagen, da sind Details nicht relevant.

Eigentlich fing alles ganz wunderbar an: Penny lud mich ein, nachdem wir uns vor gerade einem Jahr getrennt hatten, mit ihr und ihrem "neuen", dem feinfühligen und erstklassigen Percusionisten Konrad, eine Abend im Litfass zu spielen und zwar schwerpunktmäßig ihre eigenen Stücke.....auch das übrigens ein Novum, und für sie gewiss aufregend genug. Ich fand´s einfach toll, nicht zuletzt Ausdruck dafür, daß wir kleinere Differenzen im Rahmen der Trennungsmodalitäten restlos überwunden hatten.

Ein oder zwei Proben wurden anberaumt, bei mir in der Bar, die ja noch bis vor kurzem auch ihr zuhause gewesen war. Alles aber völlig unproblematisch, auch mit Konrad, den ich ohnehin schon damals sehr schätzte. Penny und ich waren (jeweils) frisch verliebt, ich schließe Eifersucht als Motiv für meinen Fehltritt aus.

Aber schon die Probe war nicht ganz nach meinem Geschmack: Bislang hatten wir praktisch ausschließlich unter meinem Szepter zusammen musiziert. Das war für mich oft schwierig mit Penny, ihrer impulsiven Art, dann wieder ihre Pedanterie....  Nun war sie Chef im Ring, Konzeptträgerin, Komponistin und Arrangeurin in Personalunion, und ich weiß nicht, was mich geritten hat, schon bei der Probe etwas lax mit ihren Spielanweisungen umzugehen!

Gut, es mag mir hier oder da etwas überarrangiert vorgekommen sein, es mag die mir nicht jede Direktive eingeleuchtet haben, aber würde ich mich bei einem mir unbekannten Bandleader einfach über Dinge hinwegsetzen? - Natürlich nicht: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing! Und für mich ist das ein Kernsatz des Berufsethos, selbst wenn gar kein Brot zu erwarten ist.

Wollte ich womöglich Konrad gegenüber cool wirken? Mich schaudert es schon bei dem Gedanken, wiewohl die Probe eigentlich noch ganz glatt über die Bühne ging. Penny war definitiv so mit ihrem Kram beschäftigt, daß sie während des Probens noch gar nicht bemerkte, daß ich schon Anzeichen verhaltener Renitenz an den Tag legte. Noch war es ja "nur" Probe und es ging auch nur um die komponierten Passagen, die bestenfalls ein Drittel des Konzertes ausmachen sollten.

Am Montag drauf dann das Konzert. Regelrecht stolz war ich, in meiner Stammkneipe mit meiner Ex und ihrem "neuen" einträchtig zu spielen, dazu eine Musik, die -irgendwo zwischen Weltmusik und freier Improvisation angesiedelt- für das Litfass höchst ungewöhnlich war; für mich ein Heimspiel in jeder Hinsicht, und so hatte ich auch eine ganze Batterie von "gadgets", also Spielzeuge und Alltagsgegenstände mitgebracht, deren Umdeutung als Musikinstrument mich schon eine ganze Weile beschäftigt hatte.

Das Konzert begann mit einem Duo von Penny und Konrad, einem sehr schönen, rhythmisch vertrackten Stück für Geige und Rahmentrommel; Penny war allerdings ziemlich aufgeregt, etwas überkandidelt und produzierte ebendiese "Penny - Atmosphäre" aus Hochdruck und für meinen Geschmack etwas zu ernstem Ansatz. Das hatte mir früher schon einige Male den Spaß verdorben, aber hier war es schließlich ihr Konzert, ich nur der Begleiter.

Zunächst, so möchte ich wenigstens positiv von mir annehmen, hatte ich, nachdem ich nun an der Reihe war, nur versucht, etwas Druck aus der ganzen Situation zu nehmen, indem ich mich spielerisch meiner "Quietscheentchenabteilung" widmete. Allein das ist schon ein Kardinalfehler, denn wer solche "Instrumente" benutzt, "um irgendwas zu erreichen", der sollte gefälligst die Pfoten davon lassen. Die Grenze zum Klamauk ist da einfach zu nahe.

Und in der Tat: Natürlich reagierten einige aus dem Publikum mit diesem merkwürdigen Glucksen, was wohl eher eine Mischung aus Verlegenheit und Amusement ist, aber genau das führte auf Pennys Seite selbstverständlich nicht zur Entspannung. Ich indes verstärkte noch meine Skurrilitäten, mich ganz auf unsere Verabredung des Improvisierens stützend und ohne überhaupt noch einen Gedanken an die musikalische Sinnhaftigkeit meiner Aktionen zu verschwenden; trieb Penny damit immer weiter in die Enge, wollte sie mit Gewalt zur Lockerheit zwingen, und irgendwann im Konzert, als ich hinter ihrem Rücken mit einer Schere spielte und so tat, als würde ich ihr die Haare abschneiden, ging es mir womöglich nur noch darum zu zeigen "Wenn Du mit mir spielen willst, mußt Du mit allem klar kommen!".......

Alles erstreckte sich schon über einen Zeitraum von einer Stunde, ist also nicht so komprimiert, wie es jetzt klingt. Das ändert aber nichts daran, daß es der unmusikalischste Tag in meinem Leben war: All diese Aktionen mit "gadgets", "toys", oder auch Schere können in exakt der gleichen Ausführung großartig sein, allein die Situation und die Motivation entscheiden über den musikalischen Wert.

Mir ist dieses Konzert abgrundtief peinlich! Die Tatsache, daß die meisten Zuschauer es auch noch ganz toll fanden, verschlimmert das ganze eher; und daß Penny selbst die Situation zumindest nicht so extrem empfunden habe, wie sie mir einige Zeit später erzählte, lindert meine Scham ihr gegenüber etwas, nicht aber der Musik gegenüber....

 

 

15.9.2009: MKD & Violentango im Ewerk

Sylvia Oelkrug, vio; Sascha Bendiks, voc, p, git, acc; Jan Fitschen b, stick; Adrian Ruggiero, bandoneon; Juan Manuel Lopez, git; Andres Ortega, git; Santiago Cordoba, perc

Violentango hatte ich auf dem Buskers Festival in Ferrara kennengelernt, weil wir im gleichen Hotel schliefen, nein: nicht schliefen! Auf dem elftägigen Festival wurde nämlich tagsüber gespielt, abends ab 22h gegessen, was dann in eine lockere Fete überging. Wenn man da lange genug aushielt und erst in den frühen Morgenstunden den knapp zwanzigminütigen Rückmarsch zum Hotel antrat, konnte es sein, daß der benachbarte Bahnhofskiosk schon öffnete und so der lange Fußmarsch mit weiterem Pils belohnt werden konnte.

Genau genommen lernte ich Violentango also kennen, lange bevor ich sie überhaupt gehört hatte, auf dem Bordstein vor dem Kiosk neben dem Hotel sitzend. Es dauerte bestimmt drei Tage, bis der Spielplan zuließ, daß ich sie tatsächlich live sah....und das war dann schon genug! Auf diesem Festival waren an die 180 Bands aus der ganzen Welt, handverlesen, aber die Tango boys hauten einfach alles weg mit ihrer Energie, mit ihrer Spielfreude. Egal ob auf der Straße oder abends beim Jammen auf der Fete, ihr Publikum bestand immer zum guten Teil aus anderen Musikern des Festivals, die es einfach nicht fassen konnten, wie z.B. ja auch ich selbst. Trotzdem war ich offenbar der einzige von über 500 Musikern, der die Jungens auch tatsächlich fragte, ob wir nicht mal was zusammen machen wollten. Sie kamen jährlich für eine weitschweifige Tour von Buenos Aires nach Europa, warum also nicht im nächsten Jahr mit einem Abstecher nach Freiburg? - Ohne großes Gedöns willigten sie ein, obwohl ich ihnen auch schon angedeutet hatte, daß ich etwas recht spezielles vorhatte, nämlich eine ineinandergreifende Kombination meiner "Zappa-Kapelle" mit ihren damals noch überwiegend Piazolla Arrangements.

Ich habe immer wieder festgestellt, daß es in der Musikwelt "Ja-Musiker" und "Hmm, aber -- ich weiß nicht - Musiker" gibt. Die Gouchos sind definitiv Ja - Typen, und das bescherte uns noch einige spektakuläre Performances in den folgenden Jahren!

Nun rückten sie also an im Sommer 2008, damals noch als Quartett aber mit zwei Begleitern; alle Mann bei mir im Haus, das sich optisch im Nu in Wallensteins Lager verwandelte, atmosphärisch in eine durchgehende Party über drei Stockwerke. Zwischendurch arrangierten wir die nahtlosen Übergänge von Zappa zu Piazolla und zurück, probten ein paar gemeinsame Sequenzen (Chunga´s Revenge und Bebop Tango), in denen nun auch die Argentinier improvisieren sollten. Für sie übrigens sehr ungewohnt!

Zwei Tage hatte ich im Kammertheater des Ewerk ergattert, der erste reserviert für ein reines Violentango Konzert, der zweite dann diese Kombination, die auch für meine Verhältnisse zu den spektakuläreren "Giraffen" zählte. Und tatsächlich: Die Musik verschmolz! Das hatte sich so keiner vorstellen können, ich war selbst überrascht. Klar, die ganze Sache war vielleicht soundmäßig nicht bestens ausgewogen, gerade wir aus der Rockabteilung neigten auch leicht zum "Überspielen", aber mein Gott: Das war ein Konzept, wie es sonst nur von großen Festivalveranstaltern unter hohem finanziellen Aufwand angegangen wird. - Wir hatten das mit zwei Proben auf die Beine gestellt.

Das war er also, der Beginn einer anhaltenden musikalischen und privaten Freundschaft! Die Gouchos waren so angetan von dem Konzept, daß sie begannen, zu Hause in Buenos Aires ähnliches mit befreundeten Kapellen zu tun, und so präsentierten sie mir im Folgejahr einen Artikel aus einer Zeitung in Buenos Aires, der mich als den "Erfinder" solcher musikalischen Überblendungen preiste..... ich war gerührt!

In Freiburg war ich zunächst auch ganz glücklich mit den Reaktionen: An beiden Abenden hatten sich ca. 75 Zuhörer eingefunden, was angesichts der konzertfeindlichen Jahreszeit für ein unbekanntes Projekt schon mal ganz gut ist. Wir bekamen eine ausführliche Zeitungskritik, die gemessen an den Standards der Badischen Zeitung sogar lesbar war; Ewerk Veranstalter, Zuschauer, Freundeskreis, die beteiligten Musiker - alle waren sich einig, daß hier etwas dauerhaftes geboren sein könne.

Doch wie so oft: Kaum ist der Schweiß getrocknet, beginnen erste Wermutstropfen zu regnen. Wir wiederholten diese Art Doppelkonzert in den folgenden zwei Jahren, wobei mein Band einmal Jans Kompositionszyklus "18 days" zum besten gab, im darauffolgenden Jahr wir erstmalig durchgängig gemeinsam ein "Radiohead goes Tango" Programm präsentierten. Allein: Die Publikumszahlen stagnierten, das erhoffte Interesse z.B. seitens des ZMF blieb aus, schließlich war ich auch nicht glücklich mit der Haltung meiner Musiker, die an einer intensiveren persönlichen Beziehung zu den Gästen nicht wirklich interessiert schienen...also stellte ich diese Konzeptreihe nach drei Jahren ein und versuche seitdem als Gasttrommler mitten im Auge des Hurrikans höchstselbst die Geheimnisse der Intensität von Violentango zu begreifen und wenigstens ansatzweise zu bedienen.....

Der Abend im Ewerk bleibt aber "das erste Mal", und selbst jetzt, wenn es Violentango intern z.B. um die Positionierung eines Drumduos geht, gibt es noch gelegentlich den Vorschlag "wir machen das so, wie damals im Ewerk".....

 

 

 

 

 

 

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