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Nach dem Konzertbesuch am 17. Mai

(dann muß ich´s vielleicht nicht dauernd erzählen)

 
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The Bizarre World Of Frank Zappa

...steht, zusammen gesetzt aus tausenden kleiner LED Lämpchen, über dem Eingang des RAI – Theaters in Amsterdam.

Ich bin knapp zwei Stunden zu früh, da das geplante Treffen nachmittags mit Mike (Keneally) einem größeren Stau zum Opfer gefallen ist, und ich nun hoffe, vielleicht irgendwie zum Soundcheck in das Theater zu kommen. Das funktioniert aber nicht, weil es eine amerikanische Band ist......

Will sagen: Von denen raucht ja keiner (mehr); also muß da auch keiner den hermetischen Kern des Theaters verlassen.

Das Auto ist bereits in einem Parkhaus abgestellt, zu einem Tarif, der für einen erheblichen Teil der Weltbevölkerung ein Monatslohn wäre. Würde ich jetzt noch einmal raus- und später wieder reinfahren, würde ich tariflich auch in die Nähe meines Monatseinkommens geraten, also beschließe ich, die Zeit vor Ort zu verbringen.

Ich mache mir Gedanken über diese LED Lettern, die später von zig Besuchern begeistert abphotographiert werden. „Bizarre World“ – das ist schon irgendwie merkwürdig: Klar, am Anfang Mitte / Ende der Sechziger war das ein passender Begriff, von Zappa selbst gerne verwandt und sogar Namensgeber für sein eigenes Plattenlabel, aber das letzte wirklich „bizarre“ von Zappa ist für meine Begriffe das Plattencover von Uncle Meat, vielleicht noch die KZ – Metaphorik von 200 Motels. Seither verläuft der Weg Zappas doch kontinuierlich in Richtung gesellschaftlich, künstlerischer Anerkennung.

Was da im Jahre 2019 noch bizarr sein soll? – Die später im Konzert gespielten „Dinah Moe Humm“ und „Dirty Love“ waren ja selbst in den Siebzigern schon eher spätpubertär als bizarr, und wirken heute auf mich befremdlich, fast etwas peinlich, zumal ich hier mit meinen 54 den Altersdurchschnitt des Publikums drastisch nach unten zerre.

Die Damen, die hinterher mit den Musikern in der Hotelbar anzutreffen sind, wirken auch eher wie „Freunde der Band“ – das Wort „Groupie“ will einem dazu nicht so recht einfallen, und auch Gedanken an Sex drängen sich nicht unaufhaltsam auf.

Zum Glück sind die Zappa Stücke, die sich explizit mit der „Groupie-Routine“ befassen (und das sind einige!) nicht im Programm zuvor repräsentiert, das hätte nun zu wirklich unfreiwilliger Komik geführt.

Wo war ich? – Ach ja, bizarr... – Bizarr ist also eigentlich lange nichts mehr bei Zappa, und das ist auch gut so: Können wir uns doch ganz einfach in diese fantastische Musik vertiefen und müssen längst nicht mehr irgendeine (Anti-)Ideologie, einen (Anti-)Life Style oder eine gesellschaftliche (Anti-)Position im Paket mitkaufen. Da wäre also so was wie „21st Century Zappa“ , oder „The Next Phase“ sicher treffender als Titel, aber mich fragt ja keiner.....

Einige Fans mokieren sich übrigens über die (gepolsterte) Bestuhlung, aber selbst das wirkt eher wie ein Reflex. Da sieht kaum noch jemand so aus, als wäre er scharf drauf, nun zweieinhalb Stunden stehend zu verbringen. Bier darf man immerhin mit in den Saal nehmen. Und unmittelbar vor und nach dem Konzert finden sich gerade mal 20 Leute vor dem Theater, die notfallartig rauchen. Kiffen sehe/rieche ich hier niemanden, wiewohl es ja nicht mal untersagt wäre.....das war doch ´88 in Mannheim noch ganz anders......

Um das technische Drumherum noch abzurunden: Der Sound ist echt ok, auf jeden Fall ausgewogen. Die zugespielten Teile (Zappas Stimme, Gitarrensoli auch mal eine Streichersektion von einer raren „Why Does It Hurt When I Pee“ Version) fügen sich nahtlos ein, so daß Hologramm und Projektionen eine echte Hilfe sind, wenn man erkennen möchte, ob gerade ein Teil zugespielt wird, oder nur die echten Musiker spielen.

Insgesamt ist es mir einen kleinen Ticken zu laut, aber tatsächlich nur einen kleinen...das lässt sich mit einem dünnen Zigarettenfilter im Ohr beheben, ohne erhebliche Klangeinbuße. Warum das so ist (meistens ja schlimmer), werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr begreifen. Altersbedingt müsste der größere Teil des Publikums eher noch empfindlicher sein als ich.....

Nun aber mal zum Inhalt – und da gleich zum Aufhänger: Das Hologramm ist für mich der unbedeutendste Teil dieser Show. Eine Art Laterna Magica von vielleicht sechs mal vier Metern ist das Zentrum der Bühne, eingefaßt in einen riesigen Torbogen, auf dem Filme und Animationen projiziert werden. Wenn gerade kein Hologramm agiert, ergibt das zusammen eine riesige Projektionsfläche.

Die sechsköpfige Band steht in zwei Dreiergruppen an den beiden Seiten dieses „Triumphbogens“ und das ist schon der erste Preis, den dieses Hologramm kostet: Da stehen zwei Trios im Abstand von gut 10 Metern – und spielen zusammen. Klar, einen Großteil des Programms spielen die ja sowieso synchronisiert mit Click, dem technischen Zusammenspiel steht das nicht im Wege, aber manchmal würde ich eben auch gerne sehen, wie sich z.B. Mike für das Gitarrenduo in „City Of Tiny Lights“ neben Ray White stellt und die beiden den Hintern aneinander reiben, anstatt isoliert seinen Part zu schrubben. Etwas ungünstig auch die Aufteilung, da die linke Hälfte mit Mike, Scott Thunes und Joe Travers doch deutlich agiler wirkt, als die gegenüber stehende Mannschaft mit Alterspräsident Ray White, dem nicht mehr ganz so muskulären Bobby Martin und Ed Mann, der für meine Begriffe etwas lustlos auf so eine Midi Vibraphon Kiste haut. Das ist optisch nicht wirklich der goldenen Schnitt, und das Hologramm erschafft eben nicht den visuellen Schwerpunkt, auf dem alles ruht. (So, wie damals 1988, als ich mit meinen Augen fast ausschließlich bei Zappa war, und z.B. Mike praktisch gar nicht wahrgenommen hatte.)

Für die ersten paar Minuten hat das Hologramm auch einen gewissen Reiz, weil es diese Zappa typische Art der Bewegung, z.B. beim Gitarre spielen, wirklich anders transportiert, als eine Filmaufnahme, aber der Reiz ist dann auch bald vorbei und von den insgesamt geschätzt 25 Minuten Hologramm, könnte man sich 20 Minuten auch sparen. In einem späteren Hologramm Abschnitt spielt Zappa nicht Gitarre, sondern dirigiert. – Auf seine eigentümliche, so „unklassische“ Art, das ist ja grundsätzlich unterhaltsam anzusehen, aber hier wirft es doch eher Fragen auf. Er dirigiert in der Laterna Magica, die leicht versetzt hinter den Musikern steht, mit dem Rücken zum Publikum, also dirigiert er.....die Wand. Ich habe vergessen, welches Stück es war, aber es war auf jeden Fall etwas vergleichsweise „gerades“, wahrlich nichts, was ein Dirigat erfordern würde, zumal die Musiker ihn eben nicht sehen und auch die damaligen Musiker ihn dafür nicht gebraucht hätten. So pinselt Zappa also die imaginäre Wand und stellt sein Dirigiergebaren recht deutlich als ziemlich selbstverliebte Marotte bloß.

So fragwürdig das Hologrammgedöns ist, so sensationell sind die Projektionen. Ich bin wirklich mit den Texten vertraut, kann bei dem Konzert praktisch alles mitsingen, aber dennoch ist da so manches Stück, das ich in anderem Licht sehe, nur durch den „Film“, der da hinten dran abläuft. Natürlich läuft da einiges an Zappa Aufzeichnungen, besonders lustig, wenn es Sequenzen und Bilder von den jungen Musikern in den 70ern zeigt, die unmittelbar neben dran stehen....das hat was erhabenes.

Originale Filmaufnahmen der Los Angeles Riots von 1965 als Hintergrund zu „More Trouble Everyday“ lassen Dich heute noch erschaudern. Irgendwann tauchen mal kurz ein paar Knetfigürchen auf, aber der Löwenanteil sind animierte Cartoons in ganz unterschiedlichen Stilen. Krass gut: Während „Montana“ gibt es Sequenzen aus der Story oder aber den Gitarre spielenden Zappa, gezeichnet mit einer einzigen weißen Linie auf schwarzem Hintergrund..., also ein „Cartoon aus Zahnseide“!

(Das gibt es auch am Merch Stand als T-Shirt, aber 35 Euro? – Nee, ich hab doch schon zu viele T-Shirts.... ;-)

In dem ganzen visuellen Overkill ist dann der Moment während „Farther O´blivion“ ganz eigen, beruhigend und eindrücklich zugleich: Für fast zehn Minuten werden nur Zappas offizielle Album Cover gezeigt. Ganz ungeordnet, immer ein Haufen gleichzeitig, sich teilweise überlappend. Da ist ja nun kein unbekanntes Bild dabei, aber in dieser Masse ist das schon eindrücklich und evoziert so manches....dabei steht das doch alles zu Hause. Vielleicht müssen wir öfter mal die Platten aus dem Regal nehmen und bunt auf der Erde verstreuen.....

Natürlich ist in über zwei Stunden Animation auch etwas Ausschuß dabei, ausgerechnet das ohnehin aus der Zeit gefallene „Dinah Moe Humm“ hat eine wirklich langweilig, dämliche Cartoon Bebilderung und da ist das Einblenden einer photorealistisch gemalten (immerhin stilecht 70er Jahre behaarten) „sugar plum“ an den entsprechenden Textstellen nur das Signal, das in so einer Showkonzeption auch die Phantasie wohl mal eine Pause braucht.

Aber – nicht zu vergessen: Es gibt ja auch noch Musik. ;-)

Und entgegen der ganzen Mediendarstellung und Vermarktung: Die Musik ist der Star! Nicht das drumherum.

Natürlich sind die ausgewählten Stücke mit Zappa-Zuspielung nicht die bekannten Plattenversionen, sondern teils recht entlegene Live Takes. Dementsprechend erkennt der Bootleg Fachmann vielleicht das ein oder andere Arrangement, aber so ein Frühsiebziger Gitarrensolo von „More Trouble“, begleitet von Musikern, die erst später überhaupt dabei waren, eine ganz andere Phase repräsentieren, und nun auch noch mit dem Sound von 2019 – das ist schon ein echtes Erlebnis.

Franks Stimme zu hören, ist für mich dann aber schon fast befremdlich, ohne dass ich erklären könnte warum. Obwohl ja nach allen Zappa Cover Bands, die mittlerweile weltweit unterwegs sind, dann einmal „Penguin In Bondage“ „in echt“ zu hören schon wirklich eindrücklich ist.

Die intensivsten Momente sind aber ganz einfach, wenn die Band spielt. Allein und ohne Zuspieler. Seltenes wie „Evil Prince“, oder entlegenes wie „No.2“ oder das erwähnte „Farther O´blivion“, bekannt von dem 72er Bootleg mit Jean Luc Ponty.

Das kann dann auch genauso arrangiert werden, wie es für diese Besetzung gut ist......und dann fängt´s an zu strahlen!

Mike hat als musikalischer Leiter (als er als solches vorgestellt wird, brechen alle Musiker in durchaus glaubhaften Applaus aus!) offensichtlich ein gutes Händchen, scheint niemanden zu überfordern (obwohl das Ensemble ja nicht so ganz homogen ist, wie oben angedeutet) und gibt jedem angemessene Features. Joe Travers, einziger nicht Zappa – Alumnus, mäht mit einer spielerischen Leichtigkeit durch dieses Programm, präsentiert einen ganz selbstverständlichen Individualstil, flicht aber immer mal wieder augenzwinkernd ein Original Fill In ein als kleine Verbeugung vor seinen Vorgängern.

Da spricht ein souveränes „Wir können, müssen aber nicht“ – genau diese Abstimmung von individuellem zu originalgetreuem Spiel ist ja Hauptschwierigkeit bei so mancher Band, die unter Zappa / Cover Fahne segelt, da schließe ich durchaus auch die ein oder andere bekanntere (mit „echten Zappa-Musikern“) mit ein.

Ich denke – und jetzt gerate ich endgültig ins Schwärmen - , da setzt Mike Keneally Maßstäbe.

Jaaaa, gut....ich bin voreingenommen, mag sein.

Aber lasst mal jemanden dieses Konzert hören, der weder Zappa, noch Keneally kennt, aber was von Gitarre versteht. (Klar, gibt´s nicht; aber nur mal angenommen.)

Dem würde zweifelsfrei sofort auffallen, wie viel diese zugespielten (Zappa-)Soli und die live (Keneally-)Soli gemeinsam haben, ohne dass da auch nur irgendwas nachgemacht wird. Natürlich hat Mike ein etwas größres Repertoire an Tönen (als Zappa mit seiner Pentatonik oder den späteren Ganztonskalen), natürlich könnte er Zappas Soli durch die Bank täuschend echt spielen; natürlich ist andererseits Zappa stilbildend und jemand, der ihn perfekt kopiert, nicht. All das spielt aber in dieser Show gar keine Rolle, denn da versucht nicht einer, besser zu spielen als Zappa, oder genau so, oder unbedingt anders.

Einmal mehr fällt mir Han Benninks Satz (eigentlich über Coltrane) ein: Wer versucht, wie Zappa zu klingen, hat Zappa nicht verstanden!

Hier hat ein Gitarrist Zappa verstanden! Und deswegen betreibt diese Band eben nicht die im Vorfeld gefürchtete (und bei anderen Bands häufig erlebte) Leichenfledderei. Das Hologramm soll Zappa ins 21. Jahrhundert bringen, das kann man kritisch sehen, Mike Keneally bringt diese Musik ins 21. Jahrhundert.

Bevor die Plattencover während „Farther O´blivion“ gezeigt werden, erzählt Mike, dass er gelegentlich gefragt werde, welche Scheibe er als Einstieg empfehlen könne. Er sagt dann: Kauf Dir irgendeine und sei gewiss, die nächste, die Du kaufst, ist komplett anders!

Dann wendet er sich ans Publikum (etwa 1000 Leute) und fragt, für wen denn Zappa neu wäre. Es zeigen vielleicht ein Dutzend junger Typen auf, und ich bin echt gerührt, als Mike sich bei denen bedankt und sinngemäß sagt: „Für Euch machen wir das!“

Die restlichen 988 klatschen begeistert.

Ich muß unter diesem Eindruck auch mal wieder mein Musikantenleben nachjustieren, schließlich bin ich als Schlagzeuger ja praktisch immer „Cover – Musiker“. Und dazu hat diese Show ein statement gesetzt, das ganz allgemein gilt, nicht nur für Zappa – Nachspielen.

Und ein wenig üben wäre nicht schlecht, könnte wohl passieren, dass ich nächstes Jahr mal mit Travers zusammenspielen muß.....   ;-)

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