Geld Gedanken
....just dieser Tage wird ja das nächste Litfass-Festival geplant. Und da ich mich dafür engagiere, vermutlich auch eine Reihe von Leuten anstiften will dort zu spielen - und zwar um Gottes Lohn, für nöppes, für Nüsse -, sind ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema Geld / Gage angezeigt:
Spätestens seit der Erfindung der Reihe "Jazz ohne Stress" (also seit ca. 20 Jahren) setze ich mich regelmäßig mit dem Thema "umsonst Spielen" auseinander. Und zunächst scheint der Gedanke "wenn wir Musiker umsonst spielen, machen wir unseren eigenen Status kaputt" auch sehr plausibel.
Neben der unmittelbaren (und unbestreitbaren) Feststellung "keine Gage-keine Kekse", also der nüchternen Erkenntnis, daß durch Spielen ohne finanzielle Entlohnung der Status des Berufsmusikers nicht zu erreichen ist, werden für den Ruin der "Szene" im wesentlichen noch zwei andere Aspekte des "umsonst" ausgemacht, nämlich dann, wenn Musik auch für ein Publikum für lau zugänglich gemacht wird, oder auch schon dann, wenn der Eintrittspreis nicht im (angenommenen) Verhältnis zur Qualität der Darbietung steht.
Dahinter stehen die Gedanken, daß wir Musiker ein Publikum auch erziehen müßten, und schließlich auch über die Höhe des Eintrittspreises das Niveau der Aufführenden zu definieren sei.
Ausdrücklich nicht im Sinne eine schulischen Erörterung möchte ich dem einmal ein paar Gedanken gegenüberstellen, die gar nicht zur Entkräftung dieser Standpunkte dienen sollen, aber möglicherweise zu einer ganz anderen Perspektive auf das Phänomen "Berufsmusiker" führen könnten.
1. Kunst als Beruf?
Auch ohne detailliertes ethnologisches Wissen möchte ich behaupten, daß Kunst / Kultur den größeren Teil der Meschheitsgeschichte lang nicht professionell betrieben wurde. Eine Gesellschaft muß schon einigermaßen arbeitsteilig fortgeschritten sein, um auf die "manpower" einer ganzen Künstlerkaste verzichten können, die -nur für das kultische / kulturelle Wohl der Gemeinschaft- vom Rest durchgefüttert wird.
Ich vermute mal, daß die Anfänge dieses "Profitums" im Zusammenhang mit der Entwicklung von Herrschaftsformen stehen, in denen eine Person, oder Gruppe für die Ausübung dieser künstlerischen Tätigkeit zunächst nur aus dem Produktionsprozess freigestellt, später dann zusätzlich mit extrem unverhältnismäßigem Luxus ausgestattet wird. Dort werden dann die ersten "Entertainer" unterhalten, und das hat sich bis heute so fortgesetzt (mitunter vielleicht etwas komplexer).
Der andere Zweig, ich will ihn mal "Volkskunst" nennen, kommt wohl erst deutlich später dazu, nämlich da, wo auch nach Finanzierung der herrschenden Klasse immer noch genug Überschuß erwirtschaftet wird, daß Leute auf die Idee kommen können, auf eigene Faust aus dem Produktiosprozess auszuscheren und sich für ihre Darbietung direkt vom Volk bezahlen zu lassen. Die Anfänge davon sind wohl schwer festzumachen; wir denken an mittelalterliches "Fahrendes Volk" und Spielleute auf Marktplätzen, aber das gibt es natürlich auch schon wesentlich länger....
Der heutige Berufsmusiker lebt genau in dieser Tradition, meist allerdings in einer Kombination aus "Volks-" und "Herrschafts-Musik". Letzterer Strang stellt sich (zumindest bei uns) etwas verstrickter dar, da sich die Herrschenden als Vertreter des Volkes verstehen. Ihre Entscheidung aber, welche Musik zu fördern sei, selbst wenn es in Hinsicht auf und im Sinne des Volkes passieren soll, ist künstlerisch genauso willkürlich wie die eines Ludwig XIV. oder eines Nero.
Wo auch immer zwischen diesen beiden Säulen wir uns als Berufsmusiker nun persönlich positionieren wollen, davor steht die Frage, ob dieses Berufsmusikertum überhaupt erstrebenswert ist! Eine ursprüngliche gesellschsftliche Notwendigkeit ist es auf jeden Fall nicht, und der mögliche Vorteil, daß der "Profi" u.U. mehr Zeit für seine Kunst aufbringen kann, steht immerhin in starker Konkurrenz zu der Abhängigkeit, in der sich seine Kunst befindet.
Nun gefällt es mir aber recht gut, (Berufs-)Musiker zu sein! Außerdem läßt sich das Rad auch in dieser Hinsicht nicht zurückdrehen. Als Konsequenz scheidet für mich aber zumindest jede Art idealisierender Haltung gegenüber dem "Profikünstler" aus. Ich neige zu der Ansicht, daß es vor 10.000 Jahren prinzipiell besser um die Kunst bestellt war. (Passend zu meiner Überzeugung, daß Musik vor Erfindung der Schallplatte bessere Möglichkeiten hatte -- aber das ist einen eigenen Nach(t)gedanken wert....)
Bleibt für mich nur, diese unvermeidliche wirtschaftliche Abhängigkeit in den Auswirkungen auf meine Musik so gering wie möglich zu halten, was streng genommen in jedem Einzelfall neu zu prüfen ist.
Unter diesem Gesichtspunkt kann allerdings ein Spielen ohne Gage auch als Akt größtmöglicher künstlerischer Unabhängigkeit gesehen werden. Eine Unabhängigkeit, die jemandem, der seine Brötchen anders verdient, sowieso gegeben ist.
Das führt zum folgenden Gedanken:
2. "Wir Musiker" -- Wer ist das überhaupt?
Musiker ist gewiß jeder, der einem musikalischen Instrument irgendwelche Töne, oder Geräusche entlocken kann. (Dabei gilt für mich auch schon der bloße Versuch!)
Genau mit dieser (ziemlich großen) Gruppe von Menschen identifiziert sich aber in der Regel kaum jemand, der einen dieser Sätze anhebt, die mit "Wir Musiker....." beginnen. Z.B. ebendieser Satz "Wir Musiker sollten nicht umsonst spielen" bezieht sich ja gerade nicht auf den Chirurgen, der abends im Hauskonzert Chopin auf dem Klavier für Freunde zum besten gibt; im Gegenteil: In diesen Atemzügen fällt dann auch gerne das Wort "Hobbymusiker", oder "irgendso´ne Schülerband", von denen sich abzugrenzen es ganz besonders gilt, eben gerade durch (angemessene!) Gage.
Wenn es allerdings überhaupt möglich ist, zwischen der "Schülerband" und -sagen wir mal- Herbert Grönemeyer eine haltbare (also nicht künstlerisch wertende) Kategorie einzuziehen, dann doch allenfalls die des rein faktischen Berufsmusikers, also desjenigen, der sein Einkommen komplett (oder zumindest zum größten Teil) durch Musizieren erzielt, von mir aus auch noch durch den Verkauf der eigenen Tonträger.
Komponisten sind da beispielsweise auch schon wieder ein anderer Fall; (wodurch Grönemeyer den größten Teil seines Einkommens erzielt, weiß ich nicht so genau -- aber den habe ich auch noch nicht "Wir Musiker..." sagen hören...)
-- Nur zur Klärung: Wenn ich mit jemandem spiele, ist mir völlig egal, womit der sein Geld verdient, der Status "Berufsmusiker" ist kein Qualitätssiegel! Im Gegenteil: Die mir bekannten (mich eingeschlossen), hiesigen Berufsmusiker fallen ja eher durch gemäße Verwaltung und Organisation von Musik auf, künstlerische Impulse gehen dagegen mindestens ebenso von Leuten aus, die ihr Brot nicht als Musiker verdienen.
Die meisten jedoch, die sich in dieser Sache zu Wort melden, sind Musiklehrer, Insrumentenverkäufer, Tontechniker, oder sonst irgendwas in der Nachbarschaft..... ich denke, die Probleme der Berufsmusiker sollten von Berufsmusikern selbst vertreten werden.
Das grenzt allerdings die Diskussionsteilnehmer drastisch ein:
In Freiburg gibt es, bedingt z.B. durch das SWR Orchester, eine stattliche Anzahl von beamteten oder angestellten (also Berufs-) Musikern (da kenne ich mich nicht so gut aus); in der freien Szene dagegen kommen wir bei einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 200.000 auf 15, vielleicht 20 wirkliche Berufsmusiker. (In anderen Städten dürfte die Quote eher niedriger liegen.)
Was ist nun das Begehr?
Daß es 50 werden? Oder 100? Oder auf jeden Fall nicht weniger? (Oder genau einer mehr?)
Gegen wen richten wir denn überhaupt die Forderung nach Geld?
3. Wer gegen Wen?
Ich mache als Bestandteile der "Szene" fünf Elemente aus:
- Musiker
- Veranstalter
- Kulturfunktionäre
- Journalisten
- Publikum
(Die Musikindustrie, bzw. Vermarktungsmethoden von Musik mögen für den ein oder anderen Künstler in Freiburg eine große Rolle spielen, für mich sind sie aber nicht relevant erkennbar. Wohl dem, der so seine Schäfchen ins Trockene bringt -- früher gab es da das ein label für: Recording Artist! -- aber das ist schon weit weg von der hiesigen realen Musikszene. Nicht, daß wir in Freiburg keine Musiker hätten, die ganz ordentlich CDs verkaufen, nur genau die sagen auch relativ selten "Wir Musiker...." )
Zurück zu den offensichtlichen Bestandteilen.
Man kann zwischen diesen 5 Parteien eine ganze Menge Beziehungen von Konsonanz und Dissonanz aufdecken, aber der zentrale Punkt bleibt: Alle vier wollen etwas vom Publikum. Und ohne das Publikum können alle vier nach Hause gehen.
Dementsprechend ist es äußerst sinnlos, wenn sich Musiker, Veranstalter, Funktionäre und Journalisten gegenseitig Grabenkriege liefern -- es geht letztlich allen darum, für alle ein (möglichst großes) Publikum zu bekommen. Würden sich diese vier "Parteien" gemeinsam um ein Publikum kümmern, ließen sich sicher wesentlich mehr Leute "hinter dem Ofen vor-" oder von der Couch locken.
Das führt zurück zu der Frage der "Publikumserziehung": Ich glaube nicht, daß Umsonst-Konzerte generell den Zulauf zu Bezahl-Konzerten schmälern -- ich kenne niemanden, der NUR zu kostenlosen Konzerten geht! (Diejenigen z.B., die es sich aus finanzieller Not nicht leisten können, gehen sogar eher nicht zu den umsonst-Konzerten, um nicht das Stigma des "Lauscheppers" zu bekommen, so jedenfalls meine Beobachtung.) Wir Musiker ;-) ,aber auch Veranstalter müssen allerdings erklären, warum etwas manchmal umsonst ist, im andern Fall aber Geld kostet. Journalisten müßten begreifen, daß nicht der Eintrittspreis, sondern die Perspektive einer Veranstaltung entscheidet, ob und vor allem wie berichtet wird. Kulturfunktionäre müßten.... ach nein, lassen wir das. Kulturfunktionäre müßten ja gar nicht sein, ...aber das ist wieder ein anderer Nach(t)gedanke.
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Nun habe ich mir ja einiges von der Seele geschrieben. Meine Perspektive scheint durch: nämlich die des Muckers, der nie in Stadien, gelegentlich in Hallen, zumeist in Clubs oder kleinen Kneipen spielt. Ich bin aber davon überzeugt, daß genau da "die Basis" ist. Und diese Basis hat Zukunft, je einfacher desto besser.
Das klingt nun komisch - nach so einem langen, zudem tendenziell mauligen Text. Was anstelle "Wir Musiker..." ist denn nun Trumpf?
4. Ein Geld-Credo, mit dem ich arbeiten kann
Bleibt ja die Frage, wie sich musikalische Darbietung überhaupt in Geldwert bemessen läßt. Antwort: gar nicht.
Das wäre im Widerspruch zu jeder akzeptablen Auffassung von Kunst! -- Und ganz pragmatisch: Jeder von uns ist (hoffentlich) schon einmal von einem Straßenmusiker mit verstimmter Gitarre im richtigen Moment mehr berührt gewesen, als von Sting mit Orchester...
Die klassische (Veranstalter-)Frage "Was kostet ihr denn?" ist --insofern sie überhaupt noch gestellt wird-- aufrichtig gar nicht zu beantworten. Aber von der eigenen Warte aus gibt es eine ganz banale Rechnung - so banal, daß ich sie möglicherweise schon lange befolgt habe, sie mir aber erst vor ca. zwei Jahren bewußt gemacht habe.
Es ist das einfache magische Dreieck:
Der tatsächliche, oder von mir angestrebte Lebensstandard setzt Einkommen Z voraus.
Statistisch spiele ich pro Jahr eine Anzahl von Y Konzerten.
Pro Konzert verdiene ich im Durchschnitt X Euro.
Klar: Wenn X x Y = Z bin ich fein heraus. Ist nur selten so. Dann heißt es prüfen, welcher Parameter am leichtesten zu verändern ist.... Lebensstandard senken - ist am einfachsten, kommt aber irgendwann an eine Grenze...mehr spielen ist immer gut, führt aber nicht notwendigerweise zum Erfolg... Durchschnittsgage erhöhen ------ wenn das so einfach wäre!
Immerhin kriege ich auf die Art raus, was ich eigentlich pro Job verdienen müßte. Für die individuelle Rechnung relevant sind dann eigentlich nur die Termine, an denen ich diesen Durchschnitt, oder mehr verdiene. Da entscheidet sich, ob Musiker als Beruf für mich realistisch ist. Nicht durch meine Meinung.